Buffering
- Ricarda Hoffmann

- 2. Okt.
- 4 Min. Lesezeit
Hast du dich schonmal zum Kühlschrank gebeamt, obwohl du eigentlich arbeiten, das Haus putzen oder den Rasen mähen solltest? Oder legst du manchmal eine "kurze" Pause ein, um nur ein Video anzuschauen, und hast dann eine ganze Serie geschaut? Ein Reel noch, sagst du dir und Stunden später bist du immer noch auf Youtube oder Instagram? Solches Verhalten wird als "Buffering" (Puffer) oder "Buffering Habit" (Puffer-Angewohnheit) bezeichnet.
"Ich habe eine Pause verdient. Nur für eine Minute. Jeder macht das."
Rechtfertigst du dich so oder so ähnlich?
Wir Menschen verfügen über eine Vielzahl an Strategien, um unsere unerwünschten Emotionen irgendwie auszuhalten oder zu vermeiden. Ständiges snacken, Alkohol, Fernsehen und Social Media Scrollen sind ganz typische Buffering Habits. Diese kleinen, auf den ersten Blick harmlos wirkenden Angewohnheiten, verhelfen Menschen zur Flucht - eine Flucht vor Stress, Angst, Einsamkeit, Traurigkeit, Überforderung oder Langeweile.
Vielleicht hattest du einen Streit mit einem Freund oder Partner und anstatt sich unwohl zu fühlen, schaltest du Netflix ein - zack, die Gedanken sind woanders.
Vielleicht war dein Arbeitstag echt mies und zack, die Weinflasche mutiert zu deinem besten Freund.
Wir Menschen lieben es, uns vor vermeintlich unangenehmen Gedanken und Gefühlen zu schützen. Diese Gedanken werden dann von unserem Verstand durch Ablenkung verhüllt, sodass es für einen Moment nicht mehr so schlimm erscheint.
Warum ist Buffering problematisch?
Bedauerlicherweise nährt unsere Gesellschaft das Buffering. Ein trauriges Kind soll schnell wieder lächeln und wird mit Süßigkeiten abgespeist. In der Werbung und in Filmen versprechen Zigaretten und Alkohol Glückseligkeit in schwierigen Situationen. Auch Shopping wird als Lösung für unangenehme Gefühle suggeriert. All dem liegt die Annahme zugrunde, dass das Empfinden unangenehmer Emotionen ein Problem darstellt und daher möglichst schnell wieder verschwinden müsse. Und genau hier liegt der Knackpunkt.
Buffering Gewohnheiten sind lustorientierte Handlungen, die kurzfristige Erleichterung verschaffen. Das menschliche Gehirn giert nach intensiver Belohnung - genau das bekommt es, wenn eine Serie nach der nächsten genetflixt wird. Noch mehr kickt der pausenlose Stream der 20-Sekunden Reels und TikTok-Videos. Das Gehirn sucht ständig nach mehr solcher Dopamin-Kicks.
Was ist Dopamin?
Dopamin ist ein wichtiger Botenstoff des menschlichen Nervensystems, der vor allem für die Steuerung von Bewegungen, Motivation, Belohnung und Antrieb sowie die Signalübertragung zwischen den Nervenzellen (u.a.) verantwortlich ist. Wird dieser Botenstoff ausgeschüttet, steigt unter anderem der Blutdruck und das Herz schlägt schneller. Dopamin ist eine Vorstufe von Noradrenalin und Adrenalin.
Letztendlich kann das Gefühl, welches vermieden werden soll, sich eher verstärken.
Außerdem hält Buffering Menschen davon ab, ihre Probleme anzugehen und verhindert Heilung und Wachstum. In extremen Fällen kann Buffering zu einer gesteigerten Passivität mit Folgen wie Gewichtszunahme, sozialer Isolation und einer Verminderung der Lebensqualität führen.
Besonders tricky wird Buffering, wenn du dich von komplexen Herausforderungen oder schwierigen Gefühlen mit vermeintlicher Produktivität ablenkst. Plötzlich sortierst du deine E-Mails, um das Gespräch mit dem Chef zu vermeiden. Du organisierst dein Büro neu, obwohl du nur den Schreibtisch aufräumen wolltest, um endlich deine Arbeit zu starten. Oder du kaufst noch mehr Bücher, ohne Zeit zu haben sie zu lesen. Oder du arbeitest noch drei Stunden länger, um nicht die Einsamkeit daheim ertragen zu müssen. Sogar putzen kann zum Buffer werden, wenn damit Frustration, Ärger oder Stress in einer intensiven Reinigungsaktion abgebaut werden. - All das fühlt sich produktiv an. Aber es ist bloß eine Vermeidungsstrategie.
Das Erkennen der eigenen Puffergewohnheiten ist der erste Schritt, um diesen Kreislauf zu durchbrechen und sich wieder mit den eigenen Gedanken und Emotionen auseinander zusetzen. Unangenehme Gefühle sind kein Problem, das man lösen muss. Wut, Entmutigung, Traurigkeit oder Einsamkeit zu fühlen bedeutet lediglich, dass du eine umfassende menschliche Erfahrung machst. Unbequeme Gefühle gehören zum Leben dazu. Natürlich macht es keinen Spaß, diese Gefühle zu spüren. Es fühlt sich nicht gut an, und genau deshalb wollen wir ihnen entfliehen.

So durchbrichst du die Buffering Gewohnheiten
Schritt 1
Beobachte deine eigenen Verhaltensweisen in unbehaglichen Momenten. Identifiziere deine bevorzugten Buffer und wann du am häufigsten darauf zurückgreifst. Worauf greift dein Gehirn zurück, wenn es sich nicht gestresst, überfordert, gelangweilt, unruhig, einsam, traurig usw. fühlen möchte?
Beispiele für typisches Buffering:
Stressessen
Erhöhter Alkoholkonsum
Nikotin- oder Cannabiskonsum
Gedankenloses Scrollen durch Social Media
Binge-Watching von Serien oder Filmen
Exzessives Gaming
Schritt 2
Wenn du bemerkst, dass du buffern willst, versuche kurz innezuhalten, statt der Gewohnheit nachzugeben.
Schritt 3
Sprich aus oder schreibe auf, was du in dem Moment fühlst. Zum Beispiel: "Ich fühle mich gestresst.", "Ich fühle mich allein." oder "Ich fühle mich überfordert."
Spüre das Gefühl, statt ihm auszuweichen. Gib dem Gefühl Raum.
Schritt 4
Versuche zu verstehen, warum dein Gehirn in dem jeweiligen Moment buffern möchte.
Immer wenn ich von einer Aktivität zur nächsten wechseln muss (sagen wir, ich coache
Ertappst du dich dabei, ständig dein Handy oder deine Mails checken zu wollen oder dass du schon wieder nach einem Snack greifst oder schon wieder durch Netflix zappst (...), dann nimmt dir einen Augenblick Zeit, um genau hineinzuspüren. Frage dich:
Was suche ich in diesem Buffer?
Was glaube ich, wird er mir bieten?
Suchst du nach Ablenkung oder Unterhaltung? Trost?
Frage dich auch, welche Emotionen und Aufgaben du am häufigsten versuchst zu vermeiden. Wenn du verstanden hast, was du gerade wirklich brauchst und was deine Buffer auslöst, kannst du dich für bewusste und konstruktivere Lösungen entscheiden.
Schritt 5
Erkennen und verstehen sind wichtige Schritte, um Buffer-Gewohnheiten abzulegen. Danach braucht es natürlich sinnvolle Handlungsoptionen, um nicht doch wieder zu buffern. Frage dich: "Wie kann ich meine Bedürfnisse unterstützen?"
Mit diesen fünf Schritten kannst du ungesunde Gewohnheiten konstruktiv umwandeln!



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